Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung auf privaten Grundstücken

Hintergründe

Der natürliche Kreislauf des Wassers ist der wichtigste Stoffkreislauf der Erde und einer der zentralen Klimafaktoren. Mit der intensiven Nutzung immer größerer Teile der Erdoberfläche und der fortschreitenden Bodenversiegelung verändert der Mensch wichtige Grundlagen des Wasserkreislaufs, was im Kleinen wie im Großen eine negative Beeinflussung des Ökosystems mit sich bringt. (Quelle: Rheinland Pfalz; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität)

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von 1992 bis 2019 von 40.305 auf 51.489 Quadratkilometer (km²) ausgedehnt. Damit ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche in den letzten 27 Jahren um 11.184 km² bzw. 27,7 % angestiegen. Rechnerisch entspricht dies einem Zuwachs von durchschnittlich 180 ha oder beinahe 2 km² pro Tag. Mit Blick auf die Teilflächen dehnte sich die Siedlungsfläche um 40,0 % und die Verkehrsfläche um 9,8 % aus. (Quelle: Umwelt Bundesamt)

Um in Zukunft den natürlichen Wasserkreislauf in vorhandener und neuer Besiedlung zu erhalten, müssen insbesondere auch auf dem Gebiet der Niederschlagswasserbewirtschaftung neue Wege gegangen werden. Ziel muss es sein, das Verhältnis zwischen Verdunstung, Versickerung und Abfluss des Niederschlagswassers nach einer Bebauung weitestgehend im gleichen Umfang zu gewährleisten, wie dies vor der Bebauung der Fall war. Versiegelungen und die Ableitung von Niederschlagswasser in die Kanalisation sollten soweit wie möglich vermieden werden. Die dezentrale, flächenhafte Bewirtschaftung des Wassers auf Hausgrundstücken, Straßenräumen und öffentlichen Flächen ist bei naturnahen Entwässerungskonzepten das Mittel der Wahl.

Durch das Versickern des Regenwassers durch verschiedene Bodenschichten wird der Oberflächenabfluss erheblich verringert, gleichzeitig werden Boden- und Pflanzenverdunstung sowie die Grundwasserneubildung erhöht. Dies führt zur Verbesserung des Kleinklimas. Darüber hinaus wird die Zahl der Ereignisse, bei denen Abwasser aus der Kanalisation in die Gewässer überläuft und diese belasten, minimiert. (Quelle: Rheinland Pfalz; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität)

Und noch einen weiteren Effekt hat die zunehmende Flächenversiegelung. Bei Starkregen stürzt binnen kürzester Zeit derartig viel Wasser vom Himmel, dass Keller und Tiefgaragen volllaufen, Gewässer über die Ufer treten und manchmal sogar verheerende Sturzfluten durch die Straßen schießen. Statt an Ort und Stelle zu versickern, fließt das Wasser über versiegelte Bereiche ab. Kanalisationen können diese Menge an Niederschlagswasser nicht aufnehmen, sodass sich das Wasser in Senken und Tiefpunkten sammelt und es zu Überflutungen kommt.


Welche Möglichkeiten zur Umsetzung von Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen gibt es?

Mit der Umsetzung von Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen kann jeder Grundstücksbesitzer einen Beitrag leisten die negativen Folgen der zunehmenden Versiegelung zu mindern. Insbesondere naturnahe Lösungen sollten hier angestrebt werden. Naturnahe Lösungen können sein:

A Vermeidung abflusswirksamer Flächen (Entsiegeln)

Quelle: Rheinland Pfalz; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität; Aktion Blau+

B Dezentrales Zurückhalten, Verdunsten und Versickern

Quelle: Rheinland Pfalz; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität; Aktion Blau+

C Dezentrales Zurückhalten, Verdunsten und Versickern mit Anschluss/Notüberlauf an den Kanal

Quelle: Mulden-Rigolen-System; Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg; aus DWA-A 138-1

Da in eng bebauten Siedlungen naturnahe Maßnahmen nicht immer leicht umzusetzen sind, können auch andere Lösungen verfolgt werden.

Wird Niederschlagswasser auf dem Grundstück ausschließlich gepuffert, und nicht unmittelbar in die Kanalisation eingeleitet leistet man dennoch einen wertvollen Beitrag zum Schutz gegen Überflutungen.

Retentionszisternen, oder bei größeren Grundstücken ggf. auch Stauraumkanäle, leiten das Niederschlagswasser nur gedrosselt in die Kanalisation. Insbesondere bei Starkregenereignissen wird die Kanalisation dadurch weniger belastet und Unterlieger gegen Überflutungen geschützt.

 

Auswirkung von Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung auf die Niederschlagswassergebühr

Mit der Umsetzung von Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen wird Niederschlagswasser auf dem Grundstück ganz oder teilweise zurückgehalten. Bei der Umsetzung solcher Maßnahmen kann jeder Grundstückseigentümer nicht nur einen Beitrag

  • zur Verbesserung des Kleinklimas,
  • Grundwasserneubildung
  • und/oder zum Überflutungsschutz bei Starkregen

leisten, Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen wirken sich auch auf die Niederschlagswassergebühr aus.

Sind bebaute und befestigte Flächen, wie z.B. Gebäude, Zufahrten, Hofflächen usw. an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen, fallen Niederschlagswassergebühren an. Wird das Niederschlagswasser auf dem Grundstück vollständig zur Versickerung gebracht, müssen auch keine Niederschlagswassergebühren bezahlt werden.

Ist ein vollständiger Rückhalt auf dem Grundstück nicht möglich, gibt es aber auch weitere Möglichkeiten die Gebühr zu mindern.

Eine Möglichkeit besteht darin, versiegelte Hofflächen und Zufahrten mit versickerungsfähigen Materialien auszubilden. Während Asphalt- und Betonflächen zu 100% abflusswirksam sind (Abflussbeiwert 1,0), sind Ökopflaster aufgrund des großen Fugen- und/oder Grünflächenanteils nur zu 50% abflusswirksam (Abflussbeiwert 0,5). Planer können sich hier an die Tabelle "Abflussbeiwerte zur Ermittlung des Regenwasserabflusses in Anlehnung an die DIN 1986-100" orientieren. Wie sich die Oberflächenbeschaffenheit konkret auf die Niederschlagswassergebühr auswirkt, zeigen die folgenden Beispiele:

Eine Hoffläche von 250m² ist mit einer Asphaltfläche versehen. Anstelle des Asphalts soll zukünftig die Fläche mit einem Ökopflaster befestigt werden. Zudem werden 50 m² als Grünfläche ausgebildet. Die Niederschlagswassergebühr ermittelt sich in diesem Fall wie folgt:

Berechnung Hoffläche "alt":            250m² * 1,0 * 0,85 €/m² = 212,50 € pro Jahr
Berechnung Hoffläche "neu":           200m² *0,5 * 0,85 €/m² = 85 € pro Jahr

Durch die Herstellung von versickerungsfähigen Belägen kann in diesem Rechenbeispiel die Niederschlagswassergebühr um über 100,- € pro Jahr reduziert werden.

Wird Niederschlagswasser auf dem Grundstück zusätzlich noch gepuffert, beispielsweise mit einer Retentionszisterne, kann die Oberflächenwassergebühr weiter reduziert werden. Entscheidend ist hier die Größe des Retentionsvolumens. Unter Berücksichtigung der Abflussfläche (A) sowie des tatsächlichen Rückhaltevolumens (V) wird die gebührenpflichtige Fläche (G) gemäß Entgeltsatzung § 19 (2) wie folgt ermittelt.

G = A - (V /75) --> A (m²), G (m²), V (Liter)

Führt man das vorherige Rechenbeispiel fort, und leitet das auf dem Hof sowie auf dem Dach anfallende Niederschlagswasser in eine Retentionszisterne mit einem Volumen von 5m³ ein, berechnet sich die Niederschlagswassergebühr wie folgt.

Berechnung gebührenpflichtige Fläche: G = 200m² * 0,5 -(5000 l / 75) = 33m²

Die jährliche Niederschlagswassergebühr beträgt dann 33m² * 0,85 €/m² = 28,05 €, gegenüber zuvor 212,50 €.

Man sieht also, dass durch die Entsiegelung, den Einbau versickerungsfähiger Materialien und/oder durch Pufferung von Niederschlagswasser auf dem Grundstück die Niederschlagswassergebühr deutlich reduziert werden kann.

Gleiches gilt übrigens auch beim Bau eines Gründachs. Je nach Aufbau des Gründachs kann die Gebühr um bis zu 70% gemindert werden. Wird ein Retentionsdach vorgesehen kann, die Gebühr noch weiter gemindert werden.

Auswirkung eines Gründachs auf die Niederschlagswassergebühr

Mittels Dachbegrünungen wird Niederschlagswasser auf Dächern zurückgehalten. Der Anteil der Verdunstung im innerstädtischen Raum wird dadurch erhöht. Damit leistet man einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung des Kleinklimas, der Reduzierung der Schadstoffe im Niederschlagsabfluss und schafft Ersatzlebensräume für Pflanzen und Insekten.

Durch die gezielte Retention kann zudem die Niederschlagswassergebühr gesenkt werden. Auch hierzu Rechenbeispiele:

Gründach mit intensiver Begrünung / Naturdach

Entscheidend für die Reduzierung der Oberflächenwassergebühr ist der Aufbau / die Systemhöhe des Gründaches. Bis zu einem Aufbau von 10 cm kann die gebührenwirksame Fläche um 50% reduziert werden (Abflussbeiwert 0,5). Ab einer Aufbauhöhe von mehr als 10 cm reduziert sich die Fläche um 70% (Abflussbeiwert 0,3). Ein Beispiel:

Ein Gebäude mit einer Dachfläche von 150 m² soll mit einem Gründach hergestellt werden. Der Aufbau des Gründachs ist ≥ 10 cm.

Berechnung der Niederschlagswassergebühr:             150m² *0,3 * 0,85 €/m² = 38,25 € pro Jahr

Ein herkömmliches Ziegeldach führt im Vergleich zu einer jährlichen Niederschlagswassergebühr von

150 m² * 1,0 * 0,85 €/m² = 127,50 € pro Jahr.

Retentionsgründach

Wird ein Gründach um ein Wasserrückhalteelement erweitert spricht man von einem Retentionsdach. Mit Hilfe eines Retentionsdaches kann die Abwassergebühr weiter reduziert werden. Je nach Größe des Rückhalteelements kann die Niederschlagswassergebühr für die Dachfläche sogar vollständig entfallen. Auch hierzu ein Beispiel:

Ein Gebäude mit einer Dachfläche von 150 m² soll mit einem Retentionsgründach hergestellt werden. Der Aufbau des Gründachs ist ≥ 10 cm und das Retentionsvolumen der Speicherplatten/Wasserrückhalteelemente beträgt 50 l/m².

Die gebührenpflichtige Fläche errechnet sich in diesem Fall wie folgt:

G = 150 m²  * 0,3 - (50 l/m² * 150m² ÷ 75) = -55 m²

In diesem Beispiel ist die gebührenpflichtige Fläche < 0. D.h. für diese Dachfläche fallen keine Niederschlagswassergebühren an. Eine Verrechnung „negativer Flächen“ auf andere abflusswirksame Flächen, wie z.B. Hofflächen, wird allerdings nicht gestattet.

Nützliche Informationen zum Thema „Gründach“ findet man unter Anderem auf der Internetseite des BuGG (Bundesverband GebäudeGrün e. V.) https://www.gebaeudegruen.info/.

Abflussbeiwerte zur Ermittlung des Regenwasserabflusses In der folgenden Tabelle sind die Abflussbeiwerte aufgeführt, welche zur Ermittlung des Regenwasserabflusses herangezogen werden können. Tabelle „Abflussbeiwerte zur Ermittlung des Regenwasserabflusses in Anlehnung an die DIN 1986-100“

Flächenart

Material

Abflussbeiwert

Bemerkung

Dachflächen

Ziegel, Metall

1,0

herkömmliches Flachdach / Kiesdach

0,8

 

Gründach mit

Aufbau < 10 cm

 

Gründach mit

Aufbau > 10 cm

 

0,5

 

 

0,3

 

Einteilung erfolgt in Anlehnung an das

DWA Arbeitsblatt 138 bzw. A 117.

Maßgebend ist die Stärke des Aufbaus.

Unabhängig der Bepflanzung (Extensiv-

oder Intensivbegrünung).

Hofflächen, Zufahrten,

Straßen

Asphalt, Beton

1,0

Betonpflaster

1,0

-

0,75

 

(flach-steil)

Pflaster mit dichten Fugen

≤ 5 mm

Pflaster mit offenen Fugen

> 5 mm

sowie in Abhängig der Flächenneigung.

Ökopflaster

0,5 - 0,75

(flach-steil)

Abhängig von der Flächenneigung.

Rasengittersteine,

fester Kiesbelag

0,3 - 0,5

(flach-steil)

Abhängig von der Flächenneigung und  

der Verkehrsbelastung.

Drainagepflaster

0,3 - 0,5

(flach-steil)

Aufgrund fehlender Dauerhaftigkeit der Drainagewirkung des Pflasters wird die abflusswirksame Fläche um max. 70 % reduziert.

Schotterrasen, lockerer

Kiesbelag und

unbefestigte Flächen

0,0

Gehen nicht in die Berechnung mit ein.

Die Bemessung von Regenwasserbewirtschaftungsanlagen hat nach den Vorgaben der DIN 1986-100 in Verbindung mit den DWA Arbeitsblättern 138 und 117 zu erfolgen.

Bei Neu- oder Umbauten ist zu prüfen, ob Regenrückhaltemaßnahmen nicht bereits in Bebauungsplänen festgelegt sind. Bei Maßnahmen in Gebieten außerhalb eines rechtsgültigen Bebauungsplans kann das geforderte Speichervolumen bei der Stadtentwässerung Kaiserslautern AÖR erfragt werden.

Brauchwassernutzung

Niederschlagswasser, welches nicht auf dem Grundstück zur Versickerung gebracht wird, landet in der Kanalisation. Hierbei handelt es sich meist um unbelastetes Niederschlagswasser, das der Kläranlage zugeführt wird. Da liegt es nahe das Regenwasser zu sammeln und über Brauchwassernutzungsanlagen im Haushalt für Toilettenspülungen und/oder zum Betrieb von Waschmaschinen zu verwenden. Dadurch können Hausbesitzer Trinkwasser sparen und hochwertiges, gereinigtes Trinkwasser wird nicht für Toilettenspülungen „verschwendet“.

Hierzu gibt es mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Hygiene unterschiedliche Meinungen. Daher sollte sich jeder Hausbesitzer im Vorfeld von Fachleuten und/oder dem Wasserversorger beraten lassen.

Die Stadtentwässerung weist aus Gründen des Gesundheitsschutzes (z. B. Verkeimung des Trinkwassers durch Rücklauf des Brauchwassers in das Trinkwassernetz) auf die Gefahren einer nicht ordnungsgemäß hergestellten Anlage ausdrücklich hin. Es ist unbedingt erforderlich die Trinkwasserleitung und die Brauchwasserleitung strikt zu trennen. Es darf keine Verbindung zwischen beiden Leitungssystemen bestehen oder herstellbar sein.  

Auswirkung einer Brauchwassernutzung auf die Niederschlagswassergebühr

Brauchwassernutzungsanlagen werden in der Regel über Wasserspeicher in Form von Zisternen gespeist. Die Dachflächen, die zur Einspeisung genutzt werden, werden von der Oberflächenwassergebühr befreit.

Die Abwassergebühr für Schmutzwasser ermittelt sich normalerweise aus dem Wasserverbrauch (90% des Frischwasserverbrauchs). Da diese Ermittlung bei der Verwendung einer Brauchwasseranlage nicht zum Ansatz gebracht werden kann, hat der Gebührenzahler zwei Möglichkeiten der Abrechnung:

  1. Messung der tatsächlichen Abwassermengen mittels geeichtem Wasserzähler
  2. Pauschale Erhöhung der bezogenen Frischwassermenge um 20%, da zusätzlich gebrauchtes Regenwasser als Schmutzwasser eingeleitet wird.

Regenspeicherzisternen, die ausschließlich zur Gartenbewässerung genutzt werden, können nicht zur Gebührenminderung angesetzt werden.

Zusammenfassung

Wasser ist ein existentieller Grundstoff des Lebens für Mensch, Tier und Pflanze. Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken helfen den natürlichen Wasserkreislauf in vorhandener und neuer Besiedlung zu erhalten und tragen zum Überflutungsschutz bei Starkregen bei. Daher sollte die Entscheidung der Umsetzung von Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen nicht nur anhand von Wirtschaftlichkeitsberechnungen getroffen werden, sondern vor allem als aktiver Umweltschutz verstanden werden.